Donnerstag, 24. Juni 2010

Singapore at last


Lange ists her, seit ich das letzte mal geschrieben habe. Nun bin ich schon fast seit 3 Wochen in Singapore und hab noch kein Wort im Blog veroeffentlicht. Woran mag das wohl liegen? Ich sag euch, es liegt nicht daran, dass ich nichts zu berichten haette. Es ist vielmehr die Fuelle der Tage, die Kuerze der Naechte und die Menge an Eindruecken, die es mir schwierig machen, irgend etwas zu schreiben. Wo soll ich also beginnen?

Nach meiner Ankunft fing alles erst mal ganz gemuetlich an. Ich bezog um 22:00 Uhr mein Zimmer und habe sogleich meinen Mitbewohner kennengelernt. Ein ruhiger und netter Chinese, der mir mittlerweile schon das eine oder andere Wort Mandarin beigebracht hat. Obwohl mich keiner versteht, wenn ich es ausspreche, versuche ich weiter zu lernen. Xiexie (danke) ist wohl das Einzige, was die Leute hier verstehen, wenn es ein Touri sagt. Na, immerhin.

Im Krankenhaus fing es genauso gemuetlich an. Zu Beginn stellt man sich vor und hat ueberhaupt nix zu tun. Die Studenten hier duerfen einem Arzt nachrennen und hoffen, dass sie dabei etwas lernen. Na, ich weiss nicht so recht, ob das das Wahre ist. Aber es stoert mich ueberhaupt nicht, da ich sonst genug Ablenkung gefunden habe in Singapore. Was nicht so schwierig ist - wie man sich denken kann... Heute hab ich zum Beispiel das erste mal in meinem Leben die "Arbeit" geschwaenzt. Doch wie gesagt, es ist nicht wirklich Arbeit, was die Studenten hier machen. Daher ists glaub ich nicht so schlimm, dass ich mal weggeblieben bin.

Im Krankenhaus kriegt man viele Sachen zu sehen, die man sonst - wenn ueberhaupt - nur aus Buechern kennt. Obwohl der Lebensstandart hier enorm hoch ist, scheinen die Verhaeltnisse doch etwas anders zu sein, so dass man ausgepraegte Ulci, Infekte, Krebse und Geschwuere sieht, so wie man sie in einem 3.Weltland erwarten wuerde. Doch ich glaube, das liegt zu einem grossen Teil daran, dass die Leute hier staerker sind als wir. Sie rennen nicht sofort zum Arzt, wenn sie ein Wehwehchen haben - was gut fuer die Finanzen ist, ist nicht immer gut fuer die Menschen. Es ist schwierig, sich so ein System in der Schweiz vorzustellen. Letzte Woche ist eine Patientin an einem Infekt verstorben... Man hat ihr zunaechst den Zeh amputiert, dann die Wade, dann das Knie und spaeter verstarb sie an einer Bauchfellentzuendung... Dabei war sie noch keine 60... Ich weiss nicht, wieviele dieser Faelle wir in der Schweiz haben... doch unser Wahn nach Sterilitaet und Sauberkeit scheint sich zumindest ein wenig auszuzahlen. Wer weiss, was gut und was schlecht ist. Die Menschen leben hier mit diesen Bedingungen und diesen Vorstellungen. Ich glaube, es sind vor allem die Vorstellugnen. Denn an der Infrastruktur mangelt es hier nicht. Die Vorausstzungen waeren hier genauso gut wie in der Schweiz fuer ein "suaberes" Arbeiten. Doch die Leute haben andere Ideen von Hygiene als wir sie haben. Und von dem was ich hier gesehen habe, muss ich sagen, zahlt sich unser Sauberkeitswahn wohl doch aus. Doch wie kann man die Menschen tadeln? Sie sind so aufgewachsen und das ist unter anderem der Preis, den sie dafuer bezahlen meussen.

Was das "private" Leben in Singapur angeht... weiss ich gar nicht so recht was sagen. Ueberall sind Menschen, Lichter; Live-Musik droehnt aus den Bars, Leute ueberall nur Leute. Keine Sekunde Ruhe. Selbst in den Massage-Salons klimpert (und in allen Salons dieselbe) Musik. Es gibt kein Entkommen. Das Einzige, was man tun kann, ist, sich in den Strom zu werfen und hoffen, nicht unterzugehen. Man lernt hier so schnell so viele Leute kennen, dass man gar keine Zeit hat, sich darueber Gedanken zu machen, ob man die Personen mag oder nicht. Man sucht sich hier die Freunde nicht aus, man wird zusammengeweuerfelt. So wie es das Schicksal gerade will. Sobald eine Nummer fuer einen gezogen wurde, kann man sie nicht umtauschen. Doch die Ziehung ist so schnell, dass man die Nummer gar nicht lesen kann, und schon haelt man die naechste in der Hand. Und immer wieder die Musik, die Lichter und Menschen. Immer nur Menschen. Es ist purer Wahnsinn. Es ist das Clark Quay Bingo... Es scheint nie aufzuhoeren.
Es ist fuer einmal eine ganz andere Erfahrung. Es ist nicht dieses Gefuehl dass man irgendwo auf einem Berg hat. Dieses freie und dennoch verlorene Gefuehl. Das Gefuehl der grenzenlosen Freihet, die einen so klein erscheinen laesst, dass man zu glauben beginnt. Man glaubt an die Natur und an die Freihet.
Nein, es ist genau das Gegenteil. Man wird vom Schicksal herumgestossen von einer Ecke zur anderen. Man hat keinen Willen. Man ist aber genauso frei, man ist frei von den Gedanken, grenzenloser Freiheit. Man ist frei von jeglichen Gedanken... Das macht es einem auch schwieriger, einen zusammenhaengenden Text zu formulieren. Man denkt nur noch in Satzfragmenten. Es ist eine Erfahrung fuer die ich dankbar bin. Doch ehrlich gesagt freue ich mich wieder auf einen Berg, auf einen Strand, auf ein Meer, auf eine Tauchausruestung, auf Dschungel, auf Elefanten, Tempel, Kokosnuesse, Sand, Vulkane,...alles ausser Menschenmassen.


Nun die Welt ist ein komischer Ort. Fuer jeden von uns haelt sie tausend Ueberraschungen bereit. Es geht nur darum, sie abzuholen. Die Freiheit der Menschen ist grenzenlos. Kein Mensch ist in irgendeiner Form in seiner Freiheit eingeschraenkt. Doch die Bedingungen und die Umwelt veraendern die Perzeption der Freiheit. Gewohnheiten, wie das Desinfizieren der Haende oder die saubere Wundversorgung haben viel mit der Kultur zu tun. Koennen wir die Erziehung tatsaechlich nicht ueberwinden und uns selber hinterfragen? Wieso werfe ich mich denn dann lieber in den Strom in einer Grosstadt? Wieso behaupte ich dann, dass man sich hier die Freunde nicht aussuchen kann? Wieso spreche ich vom Schicksal und vom Clarke Quay Bingo? Wieso all das, wenn man doch an die uneingeschraenkte Freiheit der Menschen glaubt? Fuer mich habe ich eine Antwort... es ist die Gemuetlichkeit.

Nun hoffe ich, in naechster Zeit nicht mehr ganz so gemuetlich zu sein, so dass ich wider etwas haeufiger einen Blog Eintrag verfassen kann.

Ich gruesse euch alle, die ihr mir nicht vom Schicksal sondern von meinem Herzen auserwaehlt wurdet.

Euer Baumi